Wundwurzel
1
Ist, da ich sechzig bin, eine alte Welt
Vorhanden, in die ich das ganze meiner Nasenheit
Reintauch, als ob Vergangenes im Banne hält
Das Weltgeschehn in stipulierter Phrasenheit
Als ob die Alsobmenschenkinder
Verbröseln, so die Gegenwart erreichen
Standardisieren zum Ahasein und abgleichen
Den Weltgehalt mit sich. Der Doppelbinder
Bohrt sich ins Seelenreich, das blutet rasch.
Ich bin so sukzessive kompatibel
Bloß mit vergangner Entourage
Stapel die Juden unterm immergrünen Hügel
Die sind in ihrem Totsein zugegeben unflexibel
Sodass ich selten Künftiges erhasch
2
Heißt das, dass ich im Windverwehten steck
Nicht fähig, Neuklamüsertes zu alphabetisieren
Als hätt ich für die Gegenwart schon kein Besteck
Lass mich von Zukunftstraumsekunden nicht verführen
Begrummel, als sei dies ein Weltbefehl
Erschießungsgräben, Knochenwolkendampf
Atemkristall, das ists, an dem ich mampf
Leb also in den Totneustädten, dort ich nicht verhehl
Wie fremd ich in die Gegenwart entlassen
Wie ich in Augen Blutgeschöpftes muss verspüren
Und im Gejauchze eigner Lieb muss mich verirren.
Dabei veralte ich, weil möchte ich verquirlen
Den Hoffnungssaft mit einem Gral vom Blut der Abermassen
Die mich von Einst nach Jetzt mit Sturmgeborenen befassen
3
So liegt die Wurzel wund So prangt sie nachtverschattet Und
geht zugrund. Ist in den Zukunftskerzen allbestattet
Verknotet
Wörterbinder tief im Sehnsuchtsmund
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