Im eigenen Gemach
Für
Edgar Hilsenrath
im Gedenken an
Salomon Schindel
Erschossen am 8.12.1941
Im
Rumbulawald zu Riga
1
Neben dem Gelege schleichen die Grauschatten.
Stockdunkel ihre Kehlen, das Stimmengewebe
Überzieht den helleren Gehörgang
Wir schlafen im Nest, wir sind tot.
Doch wittern wir und nesseln gegen
Den Gelegeboden. Bussarde in der Luft
Erspähen aufkeimende Knochen. Es
Schimmert gegen den baltischen Himmel
Da ereilt uns der Besen, Kübel
Und wieder hinunter unters Gras
Sollten wir absinken, doch die Rabauken
Unter uns, wir alle, treiben uns auf
Bis wir nackt wieder heraufschimmern
Mit halben Ellen, Viertelspeichen
Dem Ringfinger, Mazel tow,
als Bauchpilz.
Die Gehörknöchelchen, in denen wir
Unsere sämtlichen Stimmen speicherten,
Weht der Rumbulawestwald hin zur Tankstelle
Als dort die Rigaer Hunde die Knöchelchen
Zerbissen. Unsre Stimmen furzten aus
Den Hundsohren und blieben hernach den Espen als Tau
2
Die Ohrfeigen des Regens, urgemütlich
Die Bilanzfitness, nickend, abernickend
Geh ich durch Pfützen allvergangnen Wassers.
Bis auf die Kniekehlen versäuselt
Das Tümpelleben, da und dort gerötet,
Verblasst beim Zukunftsschritt. Ich höre
Womöglich zages Dröhnen in den Atmezügen
Die sich aufhalten zwischen großen Orten
An Wiesen stottern und bei Frauen
Besonders gerne fauchen. Stillestehn.
Kientief im Wundersamen, dieses Erdenleben
Daweil der Hammer schlägt, sein Donner
Befunkt den Gehörgang, Schüsse sinds
Nächst Riga in dem Wald, nun Knochen.
Und Ruhe längst hin auf die Praterauen.
Bis zu den Achseln abgestorbner Samen.
Rund um den Nabel die verblichnen Namen
Doch tanze ich dir zu, erreichbares Geschwitz
Wir augen uns um Aug und Zahn
Befletschen weiche Züge, bis sie dann
Granitern werden und den Glimmer kriegen
Beiß ich nach Luft, du beißt das
Wasser
Wir sind umschlungen und gemach
Beinander eigentlich und schlafenswach
Die Nebelstauden klopfen an die Fenster
Unserer Urgemütlichkeit. Die Stunden
Rinnen vergnügt Vergangnem zu
Sodass die Künftigkeiten rein und klar.
Sie funkeln wie seit immer, fiepen
Als sei die Sprache eingeschreint im Ton
Sind Worte Bilderkleckse schon.
Knietief steh ich im Weltenhaltigen
Im Erntedank und nehme
Traut bei mir selbst den nächsten Atemzug
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